Berliner Testament mit Änderungsvorbehalt


Regelmäßig errichten Ehegatten gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen. Großer Beliebtheit erfreut sich dabei das sogenannte „Berliner Testament“. Beim Berliner Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder als Schlusserben des letztversterbenden Ehegatten ein. Eine wichtige Frage ist in dieser Konstellation, ob der länger lebende Ehegatte die Möglichkeit haben soll, das Testament nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten noch zu ändern. Um dies zu gewährleisten, ist es möglich, einen Änderungsvorbehalt in das Testament aufzunehmen. Mit einem solchen Änderungsvorbehalt musste sich in einer aktuellen Entscheidung das Oberlandesgericht Frankfurt auseinandersetzen (Beschluss vom 18.5.2020, Az. 21 W 165/19).

Sachverhalt:

Im Jahr 1994 errichteten die Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament. Hierin setzten sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben und ihre beiden Töchter A und B zu gleichen Teilen als Schlusserben ein. Zudem nahmen sie in das Testament folgenden Textbaustein auf:

Sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen sind wechselbezüglich. Sie können daher nur gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden. Nach dem Tode eines Teils von uns, soll der überlebende Teil aber berechtigt sein, seine Verfügungen abzuändern, jedoch nur in Bezug auf die Verteilung des Vermögens unter unserem gemeinschaftlichen Kindern und deren Abkömmlingen.“

Darüber hinaus errichtete die Ehefrau ein weiteres (undatiertes) Testament, in dem sie bestimmte, dass „das Land“ an ihre Tochter A gehen solle. Die Tochter B solle nichts erhalten. Der Ehemann verstarb im Jahr 2002, die Ehefrau im Jahr 2019.

Nach dem Tod der Ehefrau beantragte die Tochter A beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Ihre Schwester B widersprach dem. Aufgrund des Ehegattentestaments sei ihre Mutter nicht berechtigt gewesen, ein weiteres Testament zu errichten, bei dem sie enterbt werde, da der Änderungsvorbehalt nicht die vollständige Enterbung eines Kindes umfasse. Zudem sei ungeklärt, wann das Testament überhaupt errichtet worden sei. Das angerufene Nachlassgericht wies daraufhin den Erbscheinsantrag der A zurück. Das Gericht hielt es für bedenklich, dass gar nicht genau geklärt werden konnte, wann das Einzeltestament errichtet wurde;

Beschwerde beim Oberlandesgericht

Mit dieser Entscheidung gab sich Tochter A nicht zufrieden und legte hiergegen Beschwerde beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein. Dabei legte sie eine schriftliche Zeugenaussage Ihres Onkels vor, in der dieser bestätigte, dass er mit der Erblasserin einige Gespräche geführt habe, in denen Sie ihm mitgeteilt habe, dass sie – nach dem Tod ihres Ehemannes – ihre Tochter A als Alleinerbin eingesetzt habe. Die Beziehung zu der Tochter B sei schlecht gewesen sei. Das Oberlandesgericht schloss sich den Ausführungen der Tochter A an und entschied, dass ihr der beantragte Erbschein zu erteilen sei.

Erbeinsetzung ohne Bezeichnung als Erbe

in seiner Begründung erläuterte das Gericht zunächst, dass sich bei der im Einzeltestament gewählten Formulierung, dass „das Land“ an die Tochter A gehen solle, um die Einsetzung als Alleinerbin handele, da der Nachlass praktisch ausschließlich aus 43.000 m² Ackerland bestand. Da die Einzelzuwendung an eine Person hier den Nachlass erschöpfe, müsse davon ausgegangen werden, dass diese Einzelzuwendung gleichzeitig eine Alleinerbeneinsetzung beinhalte.

Undatiertes Testament ist wirksam

im Hinblick auf die zeitliche Komponente stellten die Richter klar, dass auch ein undatiertes handschriftliches Testament formwirksam sei. Das Problem bei einem undatierten Testament ist nicht dessen Wirksamkeit, sondern der Nachweis des Zeitpunktes der Errichtung, denn dieser ist entscheidend dafür, ob ein neueres widersprechendes Testament ein älteres Testament aufhebt.

In dem hier zu beurteilenden konkreten Fall gelangte das Gericht zu der Auffassung, dass das Einzeltestament der Ehefrau nach dem Tod des Ehemannes errichtet worden sei und prinzipiell das erste Testament abändern konnte. Dies ergebe sich aus den äußeren Umständen. Zudem liege es auch deswegen nahe, weil die Tochter B nach dem Tod des Vaters den Kontakt abgebrochen habe.

Keine widerstreitende Bindungswirkung

Die Ehefrau sei aufgrund des vereinbarten Änderungsvorbehalts auch zu Enterbung der Tochter B berechtigt gewesen. Die grundsätzliche Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments spreche dem nicht entgegen. Dies haben die Richter durch Auslegung des Testaments ermittelt. Schon der Wortlaut der Klausel spreche dafür, dass eine (neue) Verteilung zugunsten der  Kinder auch in der Art vorgenommen werden kann, dass eine Tochter alles, die andere gar nichts erhalte. Eine andere Auslegung in der Form, dass eine vollständige Enterbung ausgeschlossen sei, würde zudem zu kaum lösbaren Abgrenzungsproblemen führen, da unklar wäre, bis zu welcher Erbquote eine Änderungsbefugnis bestehe.

Auf die exakte Formulierung kommt es an!

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist nachvollziehbar. Für die unterlegene Schwester dürfte sie dennoch besonders bitter gewesen sein. Ihr verbleibt letztendlich nur der Pflichtteilsanspruch nach der Mutter. Aufgrund der ebenfalls im gemeinschaftlichen Testament mitaufgenommen Pflichtteilstrafklausel hatte sie nach dem Tod des Vaters – in Erwartung einer späteren höheren Erbschaft – keine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. 

Die Entscheidung zeigt, dass letztwillige Verfügungen häufiger Ausgangspunkt für Rechtsstreitigkeiten sind. Dies liegt in der Natur der Sache, da diejenigen, die das Testament errichtet haben, bei seiner Durchsetzung nicht mehr leben und daher auch nicht mehr sagen können, welches Ziel sie genau verfolgt haben. Gerade deswegen ist es sehr wichtig, präzise Formulierungen zu wählen, um späteren Streit bereits im Keim zu ersticken. Hierzu gehört beispielsweise die im vorliegenden Fall unterbliebene Datierung sowie der aufgenommene Änderungsvorbehalt.

Es berät Sie: Fachanwältin für Erbrecht Lieselotte Richard, Rostock

Sie haben Fragen zum Erbrecht?

Rufen Sie mich an!